Beratung anfordern
Mo. - Fr. 08:00-18:00 Uhr
Kostenlos & unverbindlich

Mercedes: KBA findet 3 unzulässige Abschalteinrichtungen

Hamburg, 18.09.2023
Mercedes unzulässige Abschalteinrichtungen

Der Druck auf Mercedes steigt: Im September wird ein Schreiben bekannt, das das Kraftfahrt-Bundesamt im Juli 2023 an die Mercedes-Benz AG geschickt hatte. Darin wirft sie ihr vor, im Modell Mercedes-Benz E 350 BlueTEC drei unzulässige Abschalteinrichtungen verbaut zu haben und fordert, dass diese entfernt werden – andernfalls drohe die Stilllegung der Fahrzeuge.

Das KBA hatte in eigenen Untersuchungen des Modells Mercedes E 350 BlueTEC mit dem Motor OM642 und der Abgasnorm Euro 6 die drei Abschalteinrichtungen entdeckt, die es als unzulässig einstuft.

  1. Umschaltung von Speicherfüllstandsmodus in den Onlinedosiermodus abhängig von der Ansauglufttemperatur
  2. Umschaltung von Speicherfüllstandsmodus in den Onlinedosiermodus abhängig von dem durchschnittlichen HWL-Verbrauch [HWL = Harnstoff-Wasserlösung, bekannt als AdBlue]
  3. AGR-Korrektur abhängig von der Motorstartemperatur
Diese Funktionen sorgen für eine Verschlechterung der Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems. Mit andern Worten: Das Fahrzeug stößt wesentlich mehr Stickoxid aus als erlaubt.

KBA folgt Einschätzung des EuGH: Thermofenster ist illegal

Das KBA geht in seinem Schreiben explizit auf die Urteile des EuGH vom 14.07.2022 und vom 08.11.2022 ein, bei denen der EuGH sich deutlich zu unzulässigen Abschalteinrichtungen im Allgemeinen und dem Thermofenster im Speziellen geäußert hatte. Bisher hatte es vom KBA nur geheißen, dass es sich bei einem Thermofenster um eine unzulässige Abschalteinrichtung handeln könnte. Doch nun bezeichnet auch das KBA die „temperaturabhängige Emissionskontrollstrategie“ als unzulässige Abschalteinrichtung.

Rückruf-Welle bei Mercedes erwartet

Das KBA verlangt von Mercedes, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Konformität der Fahrzeuge wiederherzustellen. Für das untersuchte Fahrzeug, den E 350, läuft bereits seit 2019 eine freiwillige Rückrufaktion bei Mercedes, in deren Rahmen die drei beschriebenen Funktionn mit Hilfe eines Software-Updates entfernt werden. Nun muss jedoch in Kürze mit einem verpflichtenden Rückruf gerechnet werden. Das KBA droht für Fahrzeuge, die nicht daran teilnehmen mit einer Stilllegung.

Die drohenden Rückrufe beschränken sich dabei nicht unbedingt auf die E-Klasse. Das KBA fordert von Mercedes, alle Modelle zu nennen, in denen eine oder mehrere der oben genannten unzulässigen Abschalteinrichtungen verbaut wurden. Und es wird wohl kaum glaubwürdig erscheinen, wenn Mercedes angeben würde, diese Abschalteinrichtungen nur in einem einzigen Modell implementiert zu haben. Ganz im Gegenteil – die flächendeckende Verwendung des unzulässigen Thermofensters ist bekannt. Nicht nur bei Mercedes, auch bei weiteren Herstellern, wie zum Beispiel VW oder Audi. Und auch, dass Mercedes die oben im zweiten Punkt beschriebene Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung in diversen Modellen, vor allem solchen mit der Abgasnorm Euro 5, verwendet hat, ist allegemein bekannt – sie wurde schon zuvor vom KBA als unzulässige Abschalteinrichtung eingestuft.

Ursprünglich hatte das KBA Mercedes bis zum 27.07.2023 Zeit für eine Reaktion gegeben, dem Unternehmen aber eine Fristverlängerung gestattet.

Dieselskandal ist noch lange nicht vorbei

Die veränderte Einschätzung des KBA zur Frage, wann eine Abschalteinrichtung unzulässig ist, dürfte für große Sorgen in den Chefetagen von Mercedes und anderen Autobauern sorgen. Denn mit umfänglichen verpflichtenden Rückrufen und andernfalls einer drohenden Stilllegung der betroffenen Fahrzeuge muss nun in den nächsten Monaten gerechnet werden. Ob das obligatorische Software-Update diesmal ausreicht oder sich doch endlich die Meinung durchsetzt, dass eine Hardware-Nachrüstung erforderlich ist, um die Fahrzeuge sauber zu machen, wird sich zeigen.

In jedem Fall macht das Schreiben eines ganz deutlich: Der Dieselskandal ist noch lange nicht vorbei! Urteile von BGH und EuGH, neue Rückrufe und auch Mercedes' Bereitschaft, sich zu vergleichen, um negative OLG Urteile zu verhindern, zeigen, dass Autofahrer auch in 2023 noch betroffen sein können und die Möglichkeit haben, sich in einem solchen Fall vor Gericht erfolgreich gegen die Manipulation ihres Fahrzeugs zu wehren.