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VI ZR 252/19: BGH spricht im VW Abgasskandal Schadensersatz zu

Verbraucherfreundliches Urteil am 25.05.2020

Am 25. Mai 2020 war es endlich soweit: Der BGH sprach einem Kläger im VW Abgasskandal Schadensersatz zu. Dabei handelte es sich um das erste Urteil des Bundesgerichthofes im Dieselskandal. VW habe den Kläger vorsätzlich und sittenwidrig geschädigt und dieser habe deshalb einen Anspruch auf Schadensersatz, so der BGH.


BGH entscheidet im VW Abgasskandal

Am 05. Mai 2020 fand die erste mündliche Verhandlung am BGH unter dem Aktenzeichen VI ZR 252/19 statt. Dabei ging es um die Frage, ob betrogenen Käufern im Abgasskandal Schadensersatz zusteht und ob sie sich eine Nutzungsentschädigung anrechnen lassen müssen. Am 25. Mai 2020 erging das Urteil: Dem Kläger steht Schadensersatz zu, er muss sich aber eine Nutzungsentschädigung anrechnen lassen.

25. Mai 2020 Urteil des BGH zur Sache VI ZR 252/19

UPDATE zum URTEIL: Am 25. Mai urteilte der BGH, dass der Kläger einen Anspruch auf Schadensersatz hat, da VW ihn vorsätzlich und sittenwidrig getäuscht habe (§ 826 BGB). Er muss sich allerdings eine Nutzungsentschädigung für die bereits gefahrenen Kilometer anrechnen lassen. VW reagierte umgehend und kündigte an, allen Klägern, deren Verfahren noch laufen (etwa 60.000) Vergleichsangebote machen zu wollen. Nach dem BGH Urteil müssen diese allerdings attraktiv sein, denn die Kläger wissen, dass sie vor Gericht nun extrem gute Chancen haben. Doch VW will den Dieselskandal so schnell wie möglich hinter sich bringen und endgültig abschließen. Zunächst kann dies aber nur bei Fahrzeugen mit dem streitgegenständlichen Motor EA189 geschehen. Bei Fahrzeugen wie dem Touareg, die über größere Motoren verfügen, ist die Klagewelle in vollem Gang. Ebenso verfügt der Nachfolgemotor EA288 über eine unzulässige Abschalteinrichtung und auch hier gab es bereits erste Schadensersatzurteile. Der VW Abgasskandal wird also weitergehen!
UPDATE zur mündlichen Verhandlung: Nach der ersten mündlichen Verhandlung sehen beide Parteien Grund zu Optimismus. Richter Seiters machte zunächst die Verteidigungsargumente von VW zunichte und deutete schließlich an, dass er eine Schädigung des Klägers durch den Kauf eines manipulierten VW Diesels sieht. Das Gericht sieht in der Nutzung von Abchalteinrichtungen offenbar eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung gemäß § 826 BGB. Doch auch VW kann zufrieden sein. Denn Seifert machte auch klar, dass er den Ausführungen des Oberlandesgerichtes Koblenz zur Nutzungsentschädigung folgen kann. Sowohl die Anrechnung an sich als auch die Art der Berechnung fand er nachvollziehbar. Ein Urteil soll erst am 25. Mai 2020 fallen, doch die Richtung scheint klar: Schadensersatz ja, aber unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung.

Ursprünglicher Artikel:

Nachdem VW durch großzügige Vergleichsangebote Urteile des Bundesgerichtshofes im Abgasskandal bisher verhindern konnte, ist es nun soweit. Am 05. Mai 2020 wird sich der BGH in einer Verhandlung mit der Frage beschäftigen, ob betrogene Kunden einen Anspruch auf Schadensersatz haben und ob sie sich dabei eine Nutzungsentschädigung anrechnen lassen müssen.

Schon mehrmals waren Verhandlungstermine zum Dieselskandal kurzfristig geplatzt. Vermutlich, weil die Kläger Vergleichsangebote von VW annahmen und die Klagen damit zurückgezogen wurden.

Im Januar 2019 hatte der BGH jedoch bereits einen Beschluss (VIII ZR 225/17) veröffentlicht, nachdem erneut ein Termin kurzfristig abgesagt worden war. Dieser fiel verbraucherfreundlich aus, so dass die generelle Ausrichtung des Gerichts Verbrauchern Hoffnung macht. In dem Beschluss bezeichnete der BGH eine Abschalteinrichtung als Sachmangel. Betroffen war in diesem Fall ein VW Tiguan mit einem Dieselmotor der Baureihe EA 189. Laut BGH dürfte es sich bei der im Fahrzeug vorhandenen Einrichtung um eine unzulässige Abschalteinrichtung handeln. Fahrzeuge mit diesem Motortyp die noch kein Software-Update bekommen haben, dürften demnach der latenten Gefahr einer Betriebsuntersagung oder -beschränkung unterliegen.

Bezüglich eines Mangelausgleichs befasste sich der BGH mit der Frage, ob der Kläger einen Anspruch auf ein mangelfreies Ersatzfahrzeug hat und zwar in diesem Fall auf ein Fahrzeug der neueren Generation, weil das streitgegenständliche Fahrzeug nicht mehr hergestellt wurde. Das Gericht tendiert dazu, dies zu bejahen.


Hintergrund: OLG Koblenz spricht Schadensersatz abzüglich Nutzungsentschädigung zu

Der BGH wird am 05. Mai 2020 zu der Sache VI ZR 252/19 verhandeln. Der Käufer eines VW Sharan 2.0 TDI match mit der Abgasnorm Euro 5 und dem Motor EA 189 macht Schadensersatz im Abgasskandal geltend. In erster Instanz hatte der Kläger vor dem Landgericht Bad Kreuznach verloren. Das Oberlandesgericht Koblenz gab ihm jedoch in zweiter Instanz Recht und verurteilte VW zur Zahlung von Schadensersatz Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs. Allerdings musste sich der Kläger eine Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer anrechnen lassen, weshalb beide Parteien gegen das Urteil Revision einlegten und nun der BGH entscheiden muss.

Der Kläger hatte den VW Sharan am 10. Januar 2014 erworben. Im September 2015 gab VW die Verwendung einer Software zu, die erkennt, wenn das Fahrzeug auf dem Prüfstand steht und dann die Abgasreinigung im optimierten Modus durchführt. Im Oktober 2015 erging ein Rückrufbescheid des KBA, woraufhin der Kläger im Februar 2017 das Software-Update durchführen ließ, mit dem die unzulässige Abschalteinrichtung entfernt wird.

Nachdem das Landgericht Bad Kreuznach seine Klage noch abgewiesen hatte, erkannte das Oberlandesgericht Koblenz einen Schadensersatzanspruch aufgrund vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 BGB an. Dass eine unzulässige Abschalteinrichtung vorliegt, steht außer Frage. Zu diesem Ergebnis kommt das OLG in diesem Verfahren nach eigener Prüfung, zudem weist es auf den Hinweisbeschluss des BGH aus dem Januar 2019 und auf den Rückrufbescheid des KBA hin.

Demnach hat der Kläger einen Schaden erlitten, der auch nicht durch die Durchführung des Software-Updates ausgeglichen wird.

„Unabhängig von der Frage, ob dieses [Software-Update] im Hinblick auf seine höchst umstrittenen Folgen überhaupt geeignet ist, den Schaden zu beseitigen, kommt es auf dessen Wirkung nicht an.“

„Maßgeblich für die Frage des Schadens ist der Zeitpunkt des Erwerbs des Fahrzeugs.“

Allerdings muss sich der Kläger eine Nutzungsentschädigung anrechnen lassen. Er selbst hatte für diesen Fall eine maximale Laufleistung von 500.000 Kilometer angegeben. VW setzte diese auf 200.000 bis 250.000 Kilometer fest. Das OLG Koblenz entschied sich letztlich für die Berechnung der Nutzungsentschädigung eine maximale Laufleistung von 300.000 Kilometer zu nutzen.

BGH äußert sich am 05. Mai 2020 zur Frage der Nutzungsentschädigung – VI ZR 252/19

Volkswagen hatte gegen das Urteil des OLG Koblenz Revision eingelegt, da man der Meinung ist, keine unzulässige Abschalteinrichtung verwendet zu haben. Der Kläger wiederum legte Revision ein, da er der Meinung ist, dass er sich keine Nutzungsentschädigung anrechnen lassen muss. Der Bundesgerichtshof muss sich am 05. Mai 2020 also in erster Linie mit zwei Fragen befassen:

  1. Haben Kläger einen Anspruch auf Schadensersatz, sofern in ihrem Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung verwendet wurde?
  2. Müssen Kläger sich bei Anspruch auf Schadensersatz eine Nutzungsentschädigung anrechnen lassen?

Möglicherweise wird sich der BGH zudem der Frage annehmen, ob Kläger einen Anspruch auf deliktische Zinsen ab Kaufpreiszahlung haben. Dies würde die erstatteten Zahlungen an erfolgreiche Kläger zum Teil erheblich erhöhen.

Der BGH hat bereits weitere Verhandlungen im VW Abgasskandal terminiert. So finden am 21. Juli 2020 zwei Verhandlungen statt, am 28. Juli 2020 eine weitere.

Beschluss des BGH zum Daimler Abgasskandal: Klägern ist Gehör zu gewähren

Auch zum Mercedes Abgasskandal hat der BGH sich schon verbraucherfreundlich geäußert (VIII ZR 57/19). Nachdem ein Kläger sowohl in erster, als auch in zweiter Instanz gescheitert war, weil beide Gerichte die Auffassung vertraten, dass der Kläger unzureichend vorgetragen habe, widersprach dem der BGH. Der streitgegenständliche Mercedes des Klägers verfügt über den Motor OM651, für den es bei Verwendung in anderen Modelle schon zahlreiche Rückrufe gab. Das Modell des Klägers war jedoch noch nicht durch das KBA zurückgerufen worden. Deshalb sahen Landes- und Oberlandesgericht keinen Anlass zur Beweisaufnahme. Der BGH musste die Beschwerde des Klägers aufgrund eines formalen Fehlers zwar ablehnen, äußerte sich jedoch dennoch in einem Beschluss zu dem Fall.

Dem Kläger sei Gehör zu gewähren, so das Gericht. Es komme nicht darauf an, ob das KBA bereits einen Rückruf veröffentlicht habe. Die Gerichte hätten den Beweisangeboten des Klägers nachgehen und den Sachverhalt aufklären müssen.

Was steckt hinter dem Abgasskandal?

Ende 2015 kam der VW Abgasskandal ans Licht. Seitdem gibt es kein Halten mehr. Nicht nur VW, auch Audi, Porsche und Mercedes haben betrogen und unzulässige Abschalteinrichtungen verwendet. Es dauerte Jahre, bis der BGH endlich eine Entscheidung fällen konnte, doch nun ist die rechtliche Situation zumindest bezüglich der VW Fahrzeuge mit dem Motor EA189 geklärt. Als nächste Schritte wird sich der BGH auch mit dem Mercedes und dem Audi Abgasskandal beschäftigen - mit weiteren Verfahren ist in 2021 also zu rechnen.

Ausführliche Informationen zu betroffenen Marken, Urteilen, unzulässigen Abschalteinrichtungen und Ihren Rechten im Abgasskandal finden Sie hier.